In den letzten Monaten habe ich mich mit dem Schreiben von Blogbeiträgen zurückgehalten. Ganz ehrlich: Die zunehmenden atmosphärischen Spannungen als Folge der Corona-Pandemie haben mir meine Schreib-Inspiration geraubt. Ich nehme mit sehr viel Sorge wahr, dass unsere Gesellschaft beim Thema Resilienz keine gute Figur macht. Beste Gelegenheit aus meiner Sicht über das Thema zu schreiben. Resilienz liegt mir am Herzen. Erstens durch meine persönliche Trauma-Bewältigung und zweitens durch mein Wirken als Peer-Coach. Dieser Blog richtet sich explizit an alle meine LeserInnen – besonders an die ohne traumatische Erfahrungen. Vielleicht hilft ein Blick auf Menschen mit Behinderung, um sich in Sachen Resilienz stärker zu entwickeln. Es lohnt sich gerade in schwierigen Zeiten sich damit genauer zu befassen. Ich greife dabei immer wieder auf Erlebnisse aus meiner Biografie zurück.
Bei Menschen nach traumatischer Amputation ist das dynamische Gleichgewicht von Innen und Außen gestört. Die eigenen Gefühle, Bedürfnisse, Wahrnehmungen sowie Beziehungen zu Lebenspartnern, Freunden und Kollegen auf der einen Seite, passen nicht zu den neuen (objektiven) Lebensrealitäten (körperliche, gesundheitliche Situation, externe Ressourcen – z.B. medizinisch, gesetzliche und behördliche Rahmenbedingungen, Abläufe) auf der anderen Seite (siehe Ken Wilber: Integrale Theorie).
Dieses Phänomen ist in der Literatur sehr gut beschrieben, denn ein Großteil der betroffenen Menschen zeigen Anpassungsstörungen nach einem traumatischen Ereignis: Angst, Depression, Sucht. Das ist ein großes Problem für den Betroffenen selbst, denn es stört die Rückkehr in ein freudvolles und würdevolles Leben. Aber auch für das soziale Umfeld ist es herausfordernd. Kollateralschäden bei Partnern, Familien und Freunden sind vorprogrammiert – sie leiden oftmals mit dem Betroffenen.
Gelingt die Stabilisierung der Lebensläufe nicht, dann ist es für unsere Gesundheits- und Sozialsysteme keine gute Nachricht: (1) Rehabilitation scheitert (2) Folgeerkrankungen sind teuer (3) Interessen der Medizin stehen gegen die Bedürfnisse der Patient*innen.
Wie kann ein Lebenslauf neu gestartet werden? Hier übernimmt Peer-Coaching eine sehr wichtige Rolle: Es hilft den Menschen sich selbst zu ermächtigen (Empowerment) und wieder selbstwirksam zu werden:
Foto: Photographie Nathalie Michel
- Wer unterstützt mich im gesetzlichen und behördlichen Info-Dschungel?
- Wie finde ich meinen persönlichen Weg nach dem Trauma?
- Was kann ich selbst zur Krankheitsbewältigung beitragen?
- Menschen, die durch für sie bedeutsame und relevante Informationen ihre Situation besser begreifen, rehabilitieren schneller. Sie verursachen weniger Kosten in den Sozialsystemen und werden schneller fit für ein Leben mit Krankheit oder nach Trauma.
- In diesem Zusammenhang habe ich vor ein paar Tagen vom 2-Ärzte-Modell gehört. Es besagt, dass zur erfolgreichen Krankheitsbewältigung zwei Ärzte zusammenwirken müssen: Der äußere Arzt, die Medizin, und der „innere Arzt“, das Selbstheilungspotenzial des Patienten. Während die Medizin Heilung über die Behandlung der Krankheit anstrebt, möchten Patienten vor allem heilende Gesundheitskräfte aktivieren.

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