Traumaverarbeitung: Methode nach Luise Reddemann [Teil 1]

Frey schreibt über Traumaverarbeitung nach Reddemann

Die Amputation eines Körperteils ist ein schwerwiegender Einschnitt in das Leben eines Menschen. Neben den körperlichen Herausforderungen können auch tiefe emotionale Wunden entstehen, die eine umfassende Traumaverarbeitung erforderlich machen. Ich selbst habe eine professionelle Traumaverarbeitung erst in Anspruch genommen, als ich als Peer-Coach tätig wurde. Das war fast 30 Jahre nach meinem Unfall. Aus heutiger Sicht ist das nicht nachvollziehbar, aber in den 80er Jahren war die therapeutische Aufarbeitung eines Traumas noch nicht Standard.

Meine Tätigkeit als Peer-Coach wird seit 10 Jahren von einer Supervisorin begleitet. Durch sie lernte ich Luise Reddemann kennen. Sie hat eine wichtige Methode zur Traumaverarbeitung entwickelt. In diesem Blogbeitrag werde ich mich näher mit dieser Methode beschäftigen und ihre Wirksamkeit bei der Bewältigung von Traumata nach einer Amputationen beleuchten.

Ich habe diese Methode persönlich in einer Fortbildung bei Luise Reddemann kennengelernt und schätze vor allem die Imaginationsübungen, die ich in meiner Praxis als Peer-Coach gerne einsetze.

Über Luise Reddemann

Luise Reddemann ist eine renommierte Psychiaterin und Psychotherapeutin, die sich, seit über 40 Jahren intensiv mit der Verarbeitung von Traumata beschäftigt. Ihre Methode basiert auf der Psychotraumatologie und beinhaltet Elemente aus der Verhaltenstherapie, der Psychodynamik und der Achtsamkeit. Reddemann geht davon aus, dass ein Trauma nicht nur das seelische Wohlbefinden, sondern auch den Körper und die Beziehungsfähigkeit eines Menschen beeinträchtigt.

Ressourcen und Mitgefühl in der Behandlung von Traumafolgen

Die Traumaverarbeitung nach Luise Reddemann besteht aus verschiedenen Bausteinen, die individuell auf den Betroffenen abgestimmt werden. Ein zentraler Baustein ist die Schaffung eines sicheren Rahmens, in dem der Patient seine Erfahrungen mitteilen und verarbeiten kann. Dies geschieht in der Regel durch regelmäßige Einzeltherapiesitzungen, in denen der Therapeut eine einfühlsame und unterstützende Atmosphäre schafft.

Viele Betroffene verfügen über erstaunliche Selbstheilungskräfte, die es zu fördern und zu entfalten gilt. Aus dieser Erfahrung heraus hat Luise Reddemann zahlreiche heilsame Imaginationsübungen entwickelt und gesammelt, die den Betroffenen helfen, so stabil zu werden, dass sie sich mit ihren belastenden Erfahrungen detailliert auseinandersetzen können.

Innere Stabilität finden

Zwei ihrer zahlreichen Übungen möchte ich exemplarisch vorstellen.

1. Der innere Ort der Geborgenheit
Der Betroffene erinnert sich an Momente, in denen er sich geborgen gefühlt hat. Ausgehend von dieser Erfahrung stellt sich der Betroffene einen Ort vor, an dem alle Qualitäten, die er mit Geborgenheit in Verbindung bringt, vorhanden sind. Wenn er sich an einem Ort vollkommen wohl fühlt, kann er mit sich selbst eine Körpergeste vereinbaren. Diese kleine Geste kann er in Zukunft ausführen, um den Ort schnell in seiner Vorstellung zu haben.
Nach der Übung kehrt die Person mit voller Aufmerksamkeit in den Raum zurück.
Sinn der Übung: Der Betroffene wird zum Meister schwieriger Situationen, indem er sich schnell selbst helfen kann, ruhiger zu werden und Kraft zu tanken.

2. Die inneren hilfreichen Wesen
Der Betroffene lädt hilfreiche Wesen zu seinem Ort der Geborgenheit hinzu, um nicht allein zu sein.
Nach der Übung kehrt die Person mit voller Aufmerksamkeit in den Raum zurück.
Sinn der Übung: Diese Imagination von hilfreichen Wesen dient dazu, sich immer dann mit Helfern zu verbinden, wenn man sich einsam oder hilflos fühlt. Die Helfer können unterstützen und trösten.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Methode ist die Ressourcenaktivierung. Dabei werden die vorhandenen Fähigkeiten und Stärken der Betroffenen genutzt, um ihnen bei der Bewältigung des Traumas zu helfen. Dies kann durch verschiedene Techniken geschehen, wie zum Beispiel die Arbeit mit inneren Bildern oder das Erlernen von Entspannungsübungen.

Mir persönlich haben diese imaginativen Verfahren sehr geholfen, mit belastenden Bildern aus meiner Vergangenheit besser umzugehen. Außerdem ermöglicht diese Methode verletzte innere Anteile zu heilen. Letzteres empfinde ich persönlich als sehr hilfreich für die Arbeit als Peer-Coach.

Die Methode nach Luise Reddemann legt zudem großen Wert auf die Integration des Traumas in das eigene Leben. Es geht darum, das Erlebte in den Lebenskontext einzuordnen und neue Perspektiven zu entwickeln. Dies kann zum Beispiel durch die Arbeit an Sinnfragen oder die Förderung sozialer Unterstützung geschehen.

Vorhandene Ressourcen würdigen und nutzen

Die Traumaverarbeitung nach einer Amputation braucht Zeit und Geduld. Jeder Mensch hat seine individuelle Art der Verarbeitung. Es ist wichtig, dass die Betroffenen sich selbst erlauben, den Prozess in ihrem eigenen Tempo zu durchlaufen. Die Reddemann-Methode bietet einen strukturierten Ansatz zur Traumaverarbeitung, der den Betroffenen helfen kann, das Trauma zu bewältigen und ihre psychische Gesundheit wiederherzustellen.

Aus meiner Sicht ist auch die Bedeutung der sozialen Unterstützung nicht zu unterschätzen. Betroffene werden ermutigt, sich mit anderen Menschen auszutauschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, sei es in Selbsthilfegruppen oder durch den Austausch mit anderen Betroffenen. Der Kontakt mit Gleichbetroffenen kann Trost spenden, Verständnis fördern und das Gefühl der Isolation verringern. Insbesondere die Imaginationsübungen von Reddemann unterstützen diesen Prozess nachhaltig.

Literatur:

Es ist wichtig zu beachten, dass die folgenden Bücher sich allgemein mit der Traumaverarbeitung beschäftigen und sich nicht speziell auf die Verarbeitung nach einer Amputation eingehen. Dennoch bieten sie wertvolle Informationen und Hilfestellungen, um sich mit den Grundlagen ihrer Methode vertraut zu machen und diese auf die individuelle Situation anzuwenden.

„Imagination als heilsame Kraft: Zur Behandlung von Traumafolgen mit ressourcenorientierten Verfahren“ von Luise Reddemann. Dieses Buch bietet einen umfassenden Einblick in die ressourcenorientierte Arbeit in der Traumaverarbeitung. Es enthält auch spezifische Anleitungen und Übungen, die den Heilungsprozess nach einer Amputation unterstützen können.

„Körperorientierte Traumatherapie: Biodynamik und Psychoanalyse vereint“ von Luise Reddemann. Dieses Buch stellt die Verbindung zwischen Körperarbeit und psychoanalytischen Konzepten her und zeigt auf, wie ein ganzheitlicher Zugang zur Traumaverarbeitung nach einer Amputation erreicht werden kann.

„Trauma: Folgen erkennen, überwinden und an ihnen wachsen“ von Luise Reddemann. In diesem Buch beschreibt Luise Reddemann die Auswirkungen von Traumata und gibt praktische Anleitungen zur Bewältigung und Heilung. Es bietet wertvolle Einsichten und Strategien, die auch bei der Verarbeitung traumatischer Erfahrungen nach einer Amputation hilfreich sein können.

Teil 2: Traumaverarbeitung nach Bessel van der Kolk

Foto: Thomas Josek, Köln

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