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Das Unmögliche möglich machen

Das Unmögliche möglich machen

Thomas Frey Das Unmögliche möglich machen

Das letzte Jahr war geprägt von meiner Hüft-Verletzung. Unzählige Versuche, die Arthrose mit einer konservativen Therapie in den Griff zu bekommen, scheiterten. Nach langem Überlegen und Abwägen, wurde Ende November operiert. Es war die richtige Entscheidung.

Eine Hüft-OP ist seit vielen Jahren ein Standardeingriff in Deutschland, sie bleibt dennoch ein großer Eingriff für den Körper. An den Folgen hatte ich lange zu knabbern. Heute fühle ich mich fantastisch. Die neue Hüfte ist anatomisch besser als die Alte, d.h. mehr Stabilität und Balance. Ganz großes Dankeschön an Dr. Stock und sein Team von der MediaParkKlinik Köln, dass er das so großartig hinbekommen hat. Meine sportlichen Ziele im Golfen sind wieder greifbar. Ich sehe mich wieder bei den Nationalen Meisterschaften – nach 3 Jahren Pause.

Golfen war mein Anker, der mich durch diese schwierige Phase geführt hat. Ich bin sogar so weit gegangen mir einen neuen Putter zu kaufen, obwohl ein Restrisiko bestand, die Sportart nie wieder ausführen zu können. Mit meinem Golf-Anker infizierte ich sogar das Operationsteam. Alle hatte nur ein Ziel: Thomas 2024 im Golfturnier bei den Paralympics starten zu sehen.

Was sind Anker? Das Ankern in der Psychologie kommt aus dem NLP-Bereich (Neurolinguistische Programmierung). Es ist eine Reiz-Reaktionsverknüpfung mit dem Ziel, einen emotionalen Zustand auszulösen, eine sogenannte Ressource. Das funktioniert so: Eine Ressource kann z.B. Mut, Humor, Zuversicht, Ausdauer, Kreativität etc. sein. Nun wählt man einen Anker dazu aus, der immer dann, wenn man es braucht, die gewünschte Ressource in Erinnerung ruft. Der Anker kann visuell, auditiv oder kinästhetisch sein. Wichtig ist, dass der Anker einzigartig ist und nicht Teil des normalen Verhaltens (von Karen Plättner, siehe dazu auch ihr Buch am Ende des Blogbeitrags).

Die letzten Wochen erinnern mich stark an die Zeit nach meinem Unfall 1985. Damals war Skifahren für mich das Größte. Es waren Geschwindigkeit, Stärke und Kraft, die mich frei und unverwundbar fühlen ließen. Nach meinem Unfall habe ich diesen Anker immer wieder abgerufen, wenn ich mich schwach und kraftlos fühlte. Dieser Anker war intuitiv in mir. Er war so stark, dass er bis heute mein Leben prägt. Mein Leitmotiv seither: Das Leben zu leben und nicht nur am Leben teilzuhaben. Ich kann jedem nur empfehlen, sich mit der Anker-Technik vertraut zu machen, denn sie hilft schwierige Lebenslagen zu meistern.

Passend dazu erhielt ich eine Interviewanfrage der Paralympics Zeitung. Anfang März beginnen die Paralympischen Spiele 2022 in Peking. Die Zeitung stellt in ausgewählten Sportarten paralympische Athleten und Breitensportler gegenüber und ich sollte der Breitensportler fürs Skifahren sein.

Das Interview mit der Paralympics Zeitung führte Katrin Degenhardt.

Paralympics Zeitung: Was ist dein Handicap und wie ist es dazu gekommen?

Thomas: Seit einem Arbeitsunfall 1985 habe ich eine Beinamputation rechts. Zum Zeitpunkt des Unfalls war ich 21 Jahre alt und physisch sehr fit, sonst hätte ich den Unfall nicht überlebt. Viel Glück war auch im Spiel.

Paralympics Zeitung: Wie bist du zum Skifahren gekommen?

Thomas: Skifahren lernte ich mit 11 Jahren im Schwarzwald. Es wurde schnell zu einer Lieblingssportart, weil es mir ein intensives Freiheitsgefühl gab und ich die Naturverbundenheit genoss. Nach meinem Unfall vermisste ich zwei Sportarten besonders: Laufen und Skifahren. Laufen war wegen der Höhe meiner Amputation definitiv nicht mehr möglich, aber nicht das Skifahren. Ein amputierter Krücken-Skifahrer brachte es mir auf einem Bein bei. Die erste Trainingseinheit 1988 im Kleinwalsertal verlief anstrengend und gleichzeitig euphorisch. Schon nach der ersten Abfahrt war das alte Freiheitsgefühl zurück. Eine sehr gute Technik (aus der Zweibeiner-Zeit) machte mir diesen Sport möglich, denn rein körperlich fehlten mir Kraft und Ausdauer, um sicher diesen Sport auszuüben. Für mich war Krücken-Skifahren der Start eines sehr aktiven sportlichen Lebensstils, den ich bis heute pflege und damit auch andere Amputierte inspiriere.

Paralympics Zeitung: Was gefällt dir besonders an dieser Sportart?

Thomas: Geschwindigkeit, Freiheit und das Naturerlebnis machen mich überglücklich beim Skifahren. Und der Umstand, dass ich durch meinen Fahrstil sehr viele Zweibeiner hinter mir lasse.

Paralympics Zeitung: Hast du spezielle sportliche Ziele in dieser Sportart?

Thomas: Ich kann sehr gut Skifahren, aber meine Ambitionen waren nie mehr als nur zum Spaß auf die Piste zu gehen. Ich konzentrierte mich auf mein Studium und meine berufliche Laufbahn.

Paralympics Zeitung: Wie wirkt sich dieser Sport auf deinen Alltag aus?

Thomas: Täglich trainiere ich Koordination, Kraft und Ausdauer. Das mach mich fit und lässt mich meinen Alltag auf einem Bein völlig unabhängig gestalten. Davon profitieren das Skifahren und mein Golfspiel. Ich trainiere im Fitnesszentrum mit mehreren Trainern und Physiotherapeuten. Daraus haben sich schöne Freundschaften entwickelt und ein riesiges Netzwerk an inspirierenden Menschen. Ein wichtiger Punkt, den Sport für mich immer bedeutet hat: Er stärkt meine Selbstwirksamkeit. Sport hat dazu beigetragen ein Wachstums-Mindset zu etablieren, das mich in den letzten 40 Jahren fast alle Widerstände hat überwinden lassen.

Paralympics Zeitung: Verbindest du ein besonderes Gefühl mit deinem Sport?

Thomas: Freiheit, Unabhängigkeit, Geschwindigkeit und das positive Gefühl einen starken Körper zu spüren. Das versetzt mich beim Skifahren in einen fast meditativen Zustand.

Paralympics Zeitung: Inwiefern hat dich diese Sportart weitergebracht?

Thomas: Skifahren war der stärkste Anker aus der alten Lebenswelt vor meinem Unfall. Als ich es wieder beherrschte, war mir klar: Ich kann aus eigener Kraft viel mehr erreichen als ich dachte.

Paralympics Zeitung: Hast du ein sportliches Vorbild?

Thomas: In jeder Lebensphase lies ich mich von Menschen inspirieren und ermutigen, aber sie waren allesamt nicht aus dem sportlichen Leistungsbereich. Mein wichtigster Mentor war mein Krücken-Skilehrer. Er hat mir vermittelt: „Wer darauf vertraut, dass er aus eigener Kraft sein Ziel erreichen kann, der wird alle Widerstände überwinden.“

Paralympics Zeitung: Wieviel Zeit verbringst du mit deinem Sport?

Thomas: Im Schnitt gehe ich eine Woche Skifahren im Winter. Die restlichen Wochen des Jahres bereite ich mich mit meinen sonstigen sportlichen Aktivitäten darauf vor.

Paralympics Zeitung: Was machst du beruflich?

Thomas: Seit über 10 Jahren bin im Bereich Medizin und Rehabilitation als Coach, Berater und Investor tätig. In meinem Fokus steht der Menschen mit Amputation. 2014 startete mein Herzensprojekt: das AmpSurfcamp. Mit Stand-Up-Paddeling begeistern wir jedes Jahr amputierte Menschen sowie deren Familien und Freunde bei einem der schönsten Inklusionsprojekte Deutschlands.

Paralympics Zeitung: Welche Dinge – außerhalb Deines Sports – sind Dir auch noch wichtig?

Thomas: Als Mensch mit einer Behinderung sind mir eine nachhaltige Persönlichkeitsentwicklung hinsichtlich Autonomie und Selbstwirksamkeit sehr wichtig.

Paralympics Zeitung: Was wünschst du unserem deutschen Paraolympioniken / unserem deutschen paraolympischen Team in deiner Sportart?

Thomas: Allen Paraolympioniken und ihren Begleitern wünsche ich für Peking 2022 viel Erfolg, v.a. viele Medaillen. Kommt gut durch und bleibt gesund!

Paralympics Zeitung: Was möchtest Du mir sonst noch über Dich erzählen?

Thomas: Wen ich über mich neugierig gemacht habe, den lade ich gerne dazu ein, meine Webseite und meinen Blog zu besuchen. Dort findest Du meine Gedanken zum Leben mit einer Behinderung und auch die Anmeldung zum nächsten AmpSurfcamp am 25.6.2022 am St. Leoner See.

Literatur:

Karen Plättner, Abdullah Sinirlioglu, Felix Magath (2020): Anstiftungen zum guten Leben. bewango EDITION; 1. Edition, ISBN 978-3000672460.

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