Wenn ich einen meiner schlechten Tage hatte, habe ich das andere spüren lassen. Das hat oft Unverständnis und Frust ausgelöst. Dennoch hat mir mein soziales Umfeld die emotionalen Eskapaden verziehen. Es war die Zeit, in der ich oft wütend auf mich war, in der sich vieles nicht richtig angefühlt hat. Ich war innerlich orientierungslos. Meine starken Phantomschmerzen waren sicherlich ein Ausdruck dafür. Fast zu spät habe ich damit begonnen, diese Gefühlslage zu analysieren und ich merkte schnell, dass vieles seinen Ursprung nicht im Unfall hatte, sondern schon davor. Die traumatischen Ereignisse und die Erfahrungen danach, haben wie mit einem Brennglas jugendliche Unsicherheit und destruktive Handlungsmuster verstärkt und mich mit Vollgas in mein Hamsterrad laufen lassen.
Nach dem Unfall hatte ich ein großes Thema mit meinem Selbstwert. Aus den vielen Faktoren, die ihn ausmachen – Arbeit, Feedback, Freude, Essenz (innere Natur) und Eros – waren es die letzten beiden, die sich als Schwachpunkt heraus kristallisierten. Ich habe mich nicht mehr als genussvolles Wesen angesehen und in Frage gestellt, ob es überhaupt noch etwas gibt, was mich liebenswert macht. Darüber zu sprechen war mir unangenehm. Irgendwann war aber der innere Druck so groß, dass ich die Reißleine zog.
Weitsichtig handeln
Die beiden Themen sind bis heute nicht hundertprozentig aufgelöst, aber ich fange an, mein inneres Urteil über mich Schritt für Schritt zu revidieren. Wie gehe ich vor? Der Schlüssel ist Integrität. Und zwar erstmal mir selbst gegenüber. Konkret heißt das: Ich definiere für alle wichtigen Lebensbereiche, wie z.B. Beziehungen, Beruf, Finanzen usw. meine ca. 6-8 wichtigsten Werte. Für den Bereich Leben allgemein haben sich für mich die Werte Achtsamkeit, Gesundheit, Respekt, Mut, Freude, Demut, Nachhaltigkeit, Disziplin und Unabhängigkeit herauskristallisiert. Diese Werte, dienen mir als Orientierung und ich bin bereit, mich an diesen Werten messen zu lassen – nicht immer einfach, kann ich dir sagen! Sehr wichtig dabei ist, die Werte nicht nur zu benennen, sondern sie glasklar zu beschreiben. Schließlich versteht jeder etwas anderes unter diesen Worten.
Die Auseinandersetzung mit deinen Werten macht das Leben erstmal nicht einfacher. Denn es treten immer wieder innere und äußere Konflikte auf: Im Alltag stehen Werte sehr oft in Widerspruch zueinander und dann muss man sich für einen entscheiden. Z.B. geraten die Werte Ehrlichkeit und Harmonie bei mir sehr oft in Konflikt. Bin ich ehrlich, geht das erstmal auf Kosten von Harmonie. Halte ich meine ehrliche Meinung zurück, damit es harmonisch bleibt, bleibt zumindest ein schlechtes Gewissen zurück. Solche Zwickmühlen treten ganz subtil im Hintergrund auf. Man bekommt Dinge nicht hin, obwohl man sie für richtig und wichtig einstuft. Warum ist das so? In solchen Situationen macht es sich unser Gehirn einfach und stellt auf „Werkseinstellung“ zurück. Neues auszuprobieren fällt dann schwer.
Selbstkenntnis stärken
Mein kurzfristiger Ausweg: Ich überlege in Konfliktsituationen durchaus länger und priorisiere Werte, die stärkend und mir in der jeweiligen Situation wirklich-wirklich wichtig sind. So bleibt kein schaler Nachgeschmack – ganz im Gegenteil ein Werte-bewusstes Handeln stärkt langfristig. Ich fühle mich nämlich stimmig, integer und selbstwirksam. Gesundheit und Fitness ist so ein Bereich. Hier habe ich es geschafft, meine verborgenen Bedürfnisse als Motor eines neuen Handelns (nach dem Unfall) einzusetzen und schnell eine stärkende Souveränität zu erreichen. Das war wie Weiterrennen ohne Ballast und das ist ein geiles Gefühl. Daher versuche ich es wieder und wieder zu reproduzieren. Mir gelingt das sehr gut, aber z.B. bei Arbeit und Beziehung ist noch Luft nach oben.
Ein werteorientierter Weg ist kein leichter und fühlt sich zuweilen anstrengend an. Es ist immer einfacher Werte ungefragt zu übernehmen – von Eltern, Schule, Kirche, Politik, Freunden und Medien. Wirklich seine eigenen Werte zu finden dauert und ist auch ein ständiger Prozess. Vor 10, 5 oder 3 Jahren war mir anderes wichtiger als heute. Dennoch: Gerade in schwierigen Situationen sind Werte wie eine Richtschnur, sie geben dir ein Fundament für dein Handeln. Das macht starke Charaktere aus
Wäre dieser Blog Musik, dann würde er sich so anhören: Gladiator | Now We Are Free | Hans Zimmer & Lisa Gerrard
Teil 1: Ich bin frey
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Wenn du für dich ein wenig tiefer in das Thema einsteigen möchtest, habe ich ein paar inspirierende Fragen in meinem „5 Minutes Booster“ zusammengestellt.