Zurück in der timeline

Vor ein paar Tagen wurde ich in eine Rehaklinik gerufen, um mich mit einem jungen Mann zu treffen. Er hatte einen schweren Unfall mit Verletzungen ähnlich wie meine. Ich sollte ihn besuchen und ihm Mut zusprechen. Eigentlich brauchte ich Mut, denn die Umstände erinnerten mich nur zu sehr an die Geschehnisse von meinem Unfall 1985.

Ein paar Tage später traf ich den jungen Mann. Es war wie eine Zeitreise in die Vergangenheit. Ungemütlich, unbehaglich war mein erster Eindruck. Das Krankenhaus-Ambiente tat sein Übriges dazu. Ich weiß nicht, wie er sich in dem Moment fühlte, aber ich war nervös. Er machte einen ruhigen Eindruck auf mich. Und doch – es war alles so surreal. Ich erwischte mich beim Aussprechen von Floskeln, die mich früher zum Explodieren brachten: „Pech gehabt, aber das Leben geht weiter!“ „Es hätte noch viel schlimmer kommen können!“ Hilflose Versuche die Situation für ihn und mich erträglicher zu machen. Nach dem ersten Abtasten, hörte ich nur noch zu. Er beschäftigt sich mit den gleichen Dingen, wie ich vor 30 Jahren. Die Parallelen waren gravierend. „Kann ich wieder Auto fahren?“ „Welches Auto wäre das Beste?“ Belangloses Zeug. Was an Gemeinheiten auf ihn zukommt verschweige ich.

Die ersten 10 Jahre sind die schlimmsten, das sagen viele und so war es auch bei mir. Du vergleichst permanent mit deinem alten Leben und haderst mit der Situation. Mit der Zeit verblasst das Geschehene und neue Erlebnisse rücken an die Stelle der alten. Neue Wege und Ziele formen eine neue Identität. Gut, wenn dir dabei ein Mensch hilft, der ähnliches erlebt hat. Der motivierend ist, geschickt führt und dich durch diese kritische Lebensphase manövriert. Ironie des Schicksals ist, auch in meinem Leben gab es einen solchen Menschen. Er half mir, meinen neuen Körper so zu akzeptieren wie er jetzt war.

Das Gespräch wurde zum Déjà-vu. Ohnmacht. Wut. Hilflosigkeit. Angst. Alles war wieder da. Aber auch Freude, Lebendigkeit. und Nähe. Im Rückblick merkte ich, dass es sich gelohnt hat weiterzuleben und nicht aufzugeben. Das war das Schönste an unserem Gespräch!

Übrigens: Mein Pate hieß Erwin.

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